[Event "?"] [Site "?"] [Date "2012.08.10"] [Round "?"] [White "Reti mit Lf5"] [Black "?"] [Result "*"] [ECO "A07"] [Annotator "Lang,Marc"] [PlyCount "24"] [SourceDate "2012.03.28"] {Wie wir in der letzten Lektion gesehen haben, fährt Weiß bei gutem schwarzen Spiel nicht besonders gut mit 2.c4, daher liegt es nahe, wenn der Anziehende zunächst einen Zug macht, der ohnehin in sein Aufbauschema passt und den Zug c2-c4 aufschiebt oder, wenn er beispielsweise einen königsindischen Aufbau anstrebt, ganz unterlässt. Dem Schwarzen sollte auch dies keine nennenswerten Probleme bereiten; gleichwohl ist es wichtig zu wissen, was man tut, denn die Stellungen sind in der Regel leichter für Weiß zu spielen. Wer übrigens Angst hat, nach 1.Sf3 d5 2.d4 unfreiwilligerweise im Damengambit zu landen, kann seine Zugfolge entsprechend anpassen und auf 1.Sf3 Sf6 und erst auf 2.g3 dann . ..d5 ziehen. Weiß hat im Grund zwei Schemata, nach denen er sich aufbauen kann: Im Stile des königsindischen Angriffs mit d2-d3 und späterem e2-e4 oder als "reines" Réti mit c2-c4. Der so genannte "königsindische Angriff" ist ein Versuch, die königsindische Verteidigung mit einem Mehrtempo zu spielen. Weiß baut sich in der Regel mit g3, Lg2, 0-0, d3 und e4 auf und hofft darauf, dass ihm sein Extrazug irgendwelche Vorteile verbürgt. Im Prinzip ein guter Gedanke, aber der Nachziehende hat reihenweise Möglichkeiten, eine angenehme Stellung zu erhalten. Ein probates Mittel ist es, eine Variante zu spielen, die mit vertauschten Farben als komplett harmlos und solide gilt: Wer mit Schwarz Königs- oder Grünfeld-Indisch im Repertoire hat, kennt dieses Ärgernis: Weiß interessiert sich einfach für gar nichts und spielt stur seine Sf3/Lf4/c3/ e3-Schablone herunter. Die entstehenden Stellungstypen sind bocksolide, nicht sehr theorieintensiv und nur schwer zu knacken. Und da sich ein schwarzer Aufbau mit c6&Lf5 sehr gut gegen beide weißen Aufmarschvarianten anwenden lässt, ist er meine Repertoire-Empfehlung.} 1. Nf3 d5 2. g3 Nf6 ({In dieser Zugfolge (1...d5 2.g3) ist sogar das interessante} 2... Bg4 {möglich. Die Idee des Schwarzen ist, das Tempo Sf6 zunächst zu sparen und direkt mit Sd7 und e5 auf Zentrumsexpansion zu spielen} 3. Bg2 (3. Ne5 Bf5 4. c4 $1 (4. Bg2 Nd7 5. d4 Nxe5 6. dxe5 c6) 4... Nd7 5. Nxd7 Qxd7 6. cxd5 Qxd5 7. Rg1 Bxb1 8. Bg2 Be4 9. Qa4+ c6 10. Bxe4 Qd7 {entsteht ein sehr interessanter Stellungstyp: Weiß hat ein potenziell starkes Läuferpaar, aber Schwarz steht sehr solide}) 3... Nd7 4. c4 {Weiß muss etwas unternehmen. Mit 4.0-0?! e5 kann man den Nachziehenden ganz bestimmt nicht beunruhigen} (4. O-O e5 5. d3 Ngf6) 4... e6 5. cxd5 exd5 { entsteht ein Stellungstyp, der wohl in Réti-Gefilde überleiten wird. Schwarz hat mit seiner ungewöhnlichen Zugfolge aber vielleicht etwas Verwirrung beim Anziehenden stiften können...:-)}) 3. Bg2 c6 {Will Schwarz einen Aufbau mit ... Lf5/Lg4 spielen, dann ist es am sichersten, wenn er zunächst diesen nützlichen kleinen Zug einstreut. Er passt ohnehin in sein Zugschema, hat aber ein paar zusätzliche Vorteile: o Er deckt d5 und stützt das Zentrum prophylaktisch gegen Flankenangriffe mit c2-c4 o Falls eine weiße Dame auf b3 auftaucht, kann der Angriff gegen b7 ganz gut mit Db6 abgewehrt werden o Tricks mit Da4+ (wonach der Lg4 hängen könnte) werden ausgeschaltet o Für den Moment verspricht weißes c2-c4 wegen dxc4! wenig} ({Verzichtet Schwarz auf 3...c6 und spielt sofort 3...Lf5, hat Weiß mehr Chancen auf Vorteil} 3... Bf5 4. c4 $1 c6 5. cxd5 cxd5 6. Qb3 Qb6 7. Nc3 ({oder} 7. Qxb6 axb6 8. Nc3 Nc6 9. d3 e6 10. Nb5 $14) 7... Qxb3 8. axb3 Nc6 9. d3 $14 (9. Nh4 $5 Be4 10. Nxe4 dxe4 11. d3 exd3 12. exd3 $13)) 4. O-O {Weiß wartet darauf, dass Schwarz seine Karten aufdeckt - c2-c4 bietet, so lange der schwarze Lc8 noch nicht gezogen hat, keine Aussichten auf Vorteil:} (4. c4 dxc4 {und nun:} 5. O-O (5. Qc2 Be6 $5 6. Ng5 ( 6. Na3 Qd5 $1 7. O-O Nbd7 8. Nh4 Qc5 {und Weiß kann aus der Stellung der schwarzen Dame keinen Vorteil ziehen, weil ihm die "Vertreibungspower" fehlt}) (6. O-O Bd5 $5 7. a4 Na6 8. Na3 Nb4 9. Qc3 Ne4 {kann sogar schnell zur Katastrophe für Weiß werden, denn} 10. Qxb4 $2 {scheitert an} a5 11. Qxb7 Nd6 $19) 6... Bd5 7. e4 h6 $1 8. exd5 hxg5 9. dxc6 Nxc6 10. Qxc4 Rc8 {mit sehr angenehmer schwarzer Stellung - das weiße Läuferpaar wird durch den starken Punkt d5 und die aktiven schwarzen Figuren kompensiert}) (5. Na3 b5 $1 {hier stark, da Weiß bereits seinen Springer b1 erklärt und den Hebel a2-a4 blockiert hat} 6. Ne5 a6 $5 {Schwarz gibt den Bauern zurück und nutzt die dabei gewonnene Zeit, um seine Entwicklung voranzutreiben} 7. Nxc6 (7. d3 $5 { ist eine interessante Alternative} cxd3 8. Nxc6 Nxc6 (8... Qc7 $2 9. Bf4 {ist die Idee von 8.d3}) 9. Bxc6+ Bd7 10. Bxa8 Qxa8 11. f3 dxe2 12. Qxe2 e6 13. O-O h5 $5 {hat Schwarz für die Qualität einen Bauern, das Läuferpaar und eine aktive Position. Das sollte unverlierbar sein}) 7... Qc7 8. Nxb8 Rxb8 9. b3 { Weiß muss das Bauerngerüst aufknacken, um seinen deplatzierten Sa3 so schnell wie möglich ins Spiel zu bringen} Bb7 $1 10. Bxb7 Qxb7 11. O-O cxb3 12. axb3 h5 13. h4 e6 $11) 5... Nbd7 (5... b5 $6 {ist nicht ratsam, da Weiß noch keine einzige Figur oder Bauern kompromittiert hat} 6. a4 Bb7 7. b3 cxb3 8. Qxb3 a6 9. Ba3 {nun mag die Stellung noch irgendwie OK für Schwarz sein, aber wer will das spielen?!}) 6. Qc2 (6. Na3 Nb6 7. Qc2 {ist nur Zugumstellung, nimmt Weiß aber die zusätzliche Option zu a2-a4}) 6... Nb6 ({wer die folgenden Komplikationen vermeiden will, dem sei 6...e5!? ans Herz gelegt. Weiß hat bestenfalls einen Mikrovorteil beispielsweise nach} 6... e5 7. Qxc4 Bd6 8. Qc2 O-O 9. Nc3 Re8) 7. a4 $5 (7. Na3 Be6 {ist möglich, aber bietet Weiß die Möglichkeit zu dem sehr gefährlichen} (7... Qd5 8. Ne1 (8. b3 {ist wohl etwas zu dünn} cxb3 9. axb3 Be6 10. Rb1 g6 11. d3 Bg7 12. Nc4 O-O 13. Ng5 Qd7 14. Na5 {mit Spiel für den Bauern, aber sicherlich nicht mehr}) 8... Qd4 {gefällt mir wesentlich besser als das häufiger gespielte} (8... Qf5 9. e4 Qh5 10. Nxc4 Nxc4 11. Qxc4 e5 12. d4 exd4 13. e5 {ist Weiß einfach schneller}) 9. e3 Qg4 $1 { sieht auf den ersten Blick komisch aus, aber Schwarz hat eine ganz konkrete Idee, um seine Dame zu resozialisieren} 10. e4 e5 11. Nxc4 Nxc4 12. Qxc4 Be6 13. Qc2 Qe2 14. b3 O-O-O 15. Qc3 Qb5 $1 16. Bb2 Bc5 {und Schwarz spielt voll mit}) 8. Ng5 Bg4 9. Nxc4 $1 Bxe2 10. Ne5 Bh5 11. Re1 {mit starkem Druck für den Bauern, z.B} Nbd7 12. d4 e6 13. Nexf7 $1 (13. Bf3 Nxe5 14. Bxh5 Ng6 15. Bxg6 hxg6 16. Rxe6+ Be7 17. Re2 $11) 13... Bxf7 14. Qb3 $1 Be7 15. Nxf7 Kxf7 16. Rxe6 Nd5 17. Bxd5 cxd5 18. Qxd5 Nf6 19. Qb3 Kg6 20. d5 {mit dicker Kompensation. Das will bestimmt niemand spielen mit Schwarz}) 7... a5 8. Na3 { Einer dieser typischen Momente, in denen man sich fragt: Nutzt es eher Schwarz oder Weiß, diese beiden Randbauernzüge einzustreuen? Im ersten Moment würde man eher dazu neigen, den Nutzen dem Schwarzen zuzusprechen; schließlich erhält er einen Stützpunkt auf b4. Weniger augenfällig ist, dass der Zug ...a5 den schwarzen Damenflügel geschwächt hat, was - ganz überraschend - den Zug Dd5 aus Variante c1 mehr oder weniger verhindert. Nach 8.Sa3 sollte Schwarz Le6! spielen, denn} Be6 (8... Qd5 {trifft auf das starke} 9. Ne1 Qd4 {wie in der vorigen Variante} 10. d3 $1 cxd3 11. Nxd3 {mit großem Druck, z.B.} Bf5 12. Be3 Qd8 13. Qb3 Nfd5 14. Ne5 {Der Unterschied zur vorigen Variante ist, dass der Sb6 konstant Deckung benötigt, da der a-Bauer nicht mehr auf a7 steht}) 9. Ng5 Bg4 10. Nxc4 Bxe2 11. Ne5 Bh5 12. b4 $1 ({Nach} 12. Re1 {hier schlägt das "a4-a5"-Pendel eher zu Gunsten von Schwarz aus} Nbd7 13. d4 e6 14. Nexf7 Bxf7 15. Qb3 {hat Schwarz nämlich die starke Riposte} Bb4 $1 {wonach der weiße Angriff verpufft}) {Schwarz tut besser daran, den Bauern für Entwicklung zurückzugeben} 12... e6 (12... axb4 $6 13. a5 $1 Nbd7 14. a6 $3 Nxe5 15. Bb2 $3 Rxa6 (15... Bg6 16. axb7 Rxa1 17. Rxa1 Bxc2 18. Bxe5 Nd7 19. Ra8 $18) 16. Rxa6 bxa6 17. Bxe5 $40) 13. b5 Bd6 14. d4 O-O 15. bxc6 bxc6 16. Nxc6 Qc7 $11) 4... h6 $1 {Eine sehr clevere Idee. Schwarz bittet den Anziehenden, seine Karten auf den Tisch zu legen, indem er einen Wartezug macht, der gleichzeitig in seinen Aufbau hineinpasst - da er ohnehin in Kürze Lf5 spielen wird, bietet der Randbauernzug seinem weißfeldrigen Läufer ein Rückzugsfeld auf h7, so dass er nicht mit weißem Sh4 abgetauscht werden kann.} 5. d3 (5. c4 {geht immer noch nicht so richtig:} dxc4 6. Qc2 Be6 $1 {und nun, da Sg5 nicht mehr geht, ist Weiß einer seiner wichtigsten Ideen beraubt} 7. Na3 (7. Ne5 Qd4) 7... Qd5 { und Weiß hat nicht viel erreicht}) 5... Bf5 {Natürlich. Nach anderen Zügen wäre 4...h6 einfach nur ein Tempoverlust} 6. Nbd2 {Weiß strebt mit e2-e4 ein Spiel im Zentrum an. Mit 6.c4 entstünden Réti-Strukturen, die wir in Lektion 7 beleuchten werden.} e6 7. Qe1 (7. Re1 $6 {sieht auf den ersten Blick logischer aus, das Problem ist aber, dass danach überhaupt nichts droht.} Be7 8. e4 $2 dxe4 9. dxe4 Nxe4 $17) 7... Be7 8. e4 Bh7 {Und schon hat der Randbauernzug seinen Zweck erfüllt :-)} 9. Qe2 ({Weiß resozialisiert seine Dame, um früher oder später seine Türme zu verbinden. Ein anderer Plan wäre} 9. Ne5 {mit der Idee, einen überzähligen Springer abzutauschen und den Lg2 ins Spiel zu bringen } Nbd7 $1 10. Nxd7 Nxd7 11. f4 dxe4 12. dxe4 O-O 13. Kh1 Nc5 14. Qe2 a5 {hat Schwarz jedoch keine Probleme.}) 9... O-O 10. b3 {Irgendwie fehlt des dem Anziehenden an einem brauchbaren Plan. Der Vorstoß e4-e5 kann es jedenfalls nicht sein, denn nach 10...Sfd7 ist nicht zu sehen, wie Weiß weiter vorgehen will. Schwarz dagegen kann sich mit c6-c5 und Sc6 bequem entwickeln.} a5 { Einfach und gut. Schwarz erobert Raum und hat mit a5-a4 eine "kleine Drohung" in petto.} 11. a4 Na6 12. Bb2 Nb4 $11 {mit ungefährem Ausgleich} *